Sechs Jahre lagen deutsche Segelschiffe untätig in chilenischen Häfen fest. Dann begann eine spektakuläre Rückholaktion, die durchaus zum Erfolg wurde.
Die Bedingungen des Versailler Vertrags waren für die deutsche Handelsflotte hart. Er legte fest, dass alle Schiffe mit mehr als 1600 Bruttoregistertonnen an die Siegermächte abgeliefert werden mussten. Von den Schiffen mit 1000 bis 1600 Bruttoregistertonnen war noch jedes zweite Schiff betroffen. Insgesamt 73 deutsche Großsegler galt es als Kriegsreparationen zu verteilen, von denen 57 in chilenischen Häfen lagen, 12 weitere im Golf von Kalifornien ankerten und eines, die PAMIR, sich in den Gewässern der Kanarischen Inseln befand.
Die Schiffe in den chilenischen Häfen sollten instandgesetzt und bemannt werden und dann mit Salpeter beladen nach Europa segeln, wo sie in den Zielhäfen an die jeweilige Siegermacht als Reparationsleistung übergeben werden sollten. Die betroffenen Reeder schlossen sich in einem Seglerpool zusammen und gründeten die Deutsche Segelschiff-Kontor GmbH. Gesellschafter waren: F. Laeisz, Hamburg; G. J. H. Siemers & Co., Hamburg; Knöhr & Burchard NFL.; Hamburg; H. H. Schmidt, Hamburg; Reederei AG von 1896, Hamburg; F. A. Vinnen & Co., Bremen und Carl Joh. Klingenberg, Bremen.Im Sommer 1920 wurden rund 800 Seeleute angeheuert und mit dem Dampfer LUCIE WOERMANN und der frisch fertiggestellten Viermastbark PRIWALL unter vielen Schwierigkeiten zu den Schiffen in den chilenischen Häfen gebracht. Am 15. April 1920 begab sich die HELIOS als erstes der deutschen Schiffe auf die Heimreise nach Europa. Das Schiff hatte noch eine Vorkriegsbesatzung und konnte daher bereits vor Ankunft der seemännischen Verstärkung den Hafen von Taltal verlassen. Sie bewältigte die Reise nach Danzig in 122 Tagen und musste nicht, wie fast alle anderen Schiffe, als Reparationsleistung an die Siegermächte übergeben werden. Ihr folgte die Viermastbark PARMA, die bei Ausbruch des ersten Weltkrieges sich im Hafen von Iquique befand, wo sie voll beladen interniert wurde. Sie verließ Iquique am 18. Juli 1920 und segelte in 112 Tagen nach Delfzijl, wo sie an Großbritannien übergeben wurde.
Nachdem die LUCIE WOERMANN und die PRIWALL eingetroffen und die Mannschaften verteilt und alle Schiffe beladen waren, folgten nach und nach die anderen Schiffe. Die schnellste Reise machte das Segelschulschiff HERZOGIN CECILIE, das während des Krieges in der Herradura-Bucht nördlich Valparaísos, und ab 1918 in Coquimbo lag. Am 20. Juli verließ die Viermastbark Caleta Caloso und erreichte nach 86 Tagen Ostende und wurde dort an Frankreich übergeben. Das letzte Schiff, das seinen Bestimmungshafen, Venedig, erreichte, war das Vollschiff MARIE am 26. Juni 1921.Der Erlös aus dem Verkauf des Salpeters war hoch und die meisten Schiffe fanden in den Empfängerländern kaum Verwendung, da es an geeigneten Mannschaften fehlte. So gelang es einigen Reedern durch Rückkäufe die eigene Flotte relativ schnell wieder aufzubauen. Beispielsweise konnte die Hamburger Reederei F. Laeisz bereits 1921 die PEIHO, die PARMA, die PASSAT die PINNAS, die PEKING und 1923 die PAMIR erwerben und wieder in der Salpeterfahrt einsetzen.
Einige Angaben zu den abgebildeten Schiffen
Vollschiff PINNAS – Reederei F. Laeisz, Hamburg
1902 als FITZJAMES bei W. Hamilton in Glasgow gebaut und mit 1946 Bruttoregistertonnen vermessen. 1909 Verkauf an F. Laeisz und Umbenennung in PINNAS. Zunächst in Valparaiso aufgelegt, segelte sie unter Kapitän Hans nach Pisagua, von wo die PINNAS am 20. Oktober 1920 mit einer Ladung Salpeter mit Zielhafen Falmouth abging. Das Schiff wurde in Dünkirchen als Reparationsleistung an Frankreich übergeben. Bereits im Dezember 1921 wurde die PINNAS wieder zurückgekauft. Von 1922 bis 1925 führte Kapitän Jürgen Jürs das Schiff. Weitere Kapitäne waren H. Oellrich, J. Rohwer und Paul Lehmann. Unter letzterem verließ die PINNAS 1929 Hamburg zu ihrer letzten Reise. Am 18. April wurde die PINNAS bei Kap Hoorn in einem Sturm entmastet. Die Besatzung wurde vom chilenischen Schlepper ALFONSO gerettet.
Viermastbark PARMA – Reederei F. Laeisz, Hamburg
1902 Stapellauf als ARROW bei A. Rodger & Co in Glasgow und mit 3084 Bruttoregistertonnen vermessen. 1912 von der Anglo-American Oil Co Ltd. an F. Laeisz verkauft und in PARMA umbenannt. Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges befand sie sich im Hafen von Iquique, wo sie voll beladen interniert wurde. Sie verließ Iquique am 18. Juli 2020 und segelte in 112 Tagen nach Delfzijl, wo sie an Großbritannien übergeben wurde. 1921 wurde die PARMA wieder zurückgekauft. Ab 1922 wurde sie wieder auf der Route zwischen Deutschland und Chile eingesetzt. Da der Betrieb ab 1929 nicht mehr wirtschaftlich war, wurde das Schiff aufgelegt und schließlich 1931 an Ruben de Cloux und Alan Villiers nach Mariehamn/ Finnland verkauft und in der Weizenfahrt zwischen Europa und Australien eingesetzt. 1936 kollidierte die Viermastbark beim Anlegen mit einem Turm am Princes Dock in Glasgow. Das Schiff wurde danach abgetakelt und noch zwei Jahre als Hulk in Haifa genutzt, bevor es 1938 abgewrackt wurde.
Bark Helios – Aug. Bolten, WM. Miller’s Nachfolger, Hamburg
Die HELIOS lief 1891 bei der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft vom Stapel, wurde mit 1295 Bruttoregistertonnen vermessen und zunächst von der Hamburger Reederei Wachsmuth & Krogmann betrieben. 1912 wurde sie von der Hamburger Firma Aug. Bolten, WM. Miller’s Nachfolger erworben. 1914 wurde die HELIOS im chilenischen Taltal vom Ersten Weltkrieg überrascht und lag dort bis 1920 fest. Sie war noch mit der Vorkriegsmannschaft bemannt und bewältigte ihre Reise nach Danzig in 122 Tagen. Da die Größe des Schiffes unter 1600 Bruttoregistertonnen lag, entging die Bark dem Schicksal fast aller anderen deutschen Segelschiffe, die nach den Bestimmungen des Versailler Vertages an die Siegermächte übergeben wurden. Die HELIOS aber konnte bereits 1921 wieder in Fahrt gehen und absolvierte bis 1925 noch verschiedene Reisen nach Chile, Spanien und Argentinien. Im Jahr 1925, nach 34 Jahren im Dienst, wurde das Schiff schließlich in Großbritannien abgewrackt.
Schulschiff HERZOGIN CECILIE – Norddeutscher Lloyd, Bremen
Die Viermastbark lief 1902 bei der Rickmers Schiffbau AG in Geestemünde für den Norddeutschen Lloyd vom Stapel und wurde mit 3432 Bruttoregistertonnen vermessen. Während des Krieges lag die Viermastbark in der Herradura-Bucht nördlich Valparaísos und ab 1918 in Coquimbo. Am 20. Juli verließ das Schiff Caleta Caloso und erreichte nach 86 Tagen Ostende und wurde dort an Frankreich übergeben. Noch im selben Jahr erwarb sie der finnische Reeder Gustaf Erikson. Die HERZOGIN CECILIE war mehrfach Siegerin der Weizenrennen von Australien nach Europa. 1936 strandete das Schiff an der englischen Küste.
Literaturempfehlung: www.ssoar.info – Die deutsche Seglerflotte in und nach dem Krieg 1914-1918 Burmester, Heinz